Aus dem Landtag




Landtag Brandenburg                                              Drucksache 5/6027
5. Wahlperiode


Antwort
der Landesregierung
auf die Kleine Anfrage 2323
der Abgeordneten Marie-Luise von Halem und Sabine Niels
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Drucksache 5/5865


Folieneinsatz im Spargelanbau in Brandenburg

Wortlaut der Kleinen Anfrage 2323 vom 23.08.12 :

In der Bevölkerung des Amtes Beetzsee gibt es erheblichen Unmut über den flächendeckenden Folieneinsatz im großflächigen Spargelanbau. Kritisiert wird nicht der Spargelanbau an sich, sondern insbesondere die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes im Landschaftsschutzgebiet (LSG). In den Gemarkungen Mötzow und Grabow sind in etwa die Hälfte der Felder mit Spargel bestellt. Diese Flächen sind oft bereits von November bis einschließlich Juni durchgehend und großflächig mit Folien überzogen. Neben den erheblichen optischen Beeinträchtigungen sind gravierende Auswirkungen auf die Vogelwelt in diesem dem Europäischen Vogelschutzgebiet „Mittlere Havelniederung“ angehörenden Gebiet dokumentiert. Das alljährliche Monitoring zur Erfassung aller Brutvögel in den Gemarkungen Mötzow und Grabow zwischen 1999/2001 (vor dem Spargelanbau) und 2009/2012 (mit großflächigem Spargelanbau unter Folie) ergab das Verschwinden von fünfzehn Arten der Roten Liste Brandenburgs sowie des Anhang I der EU-Vogelschutzrichtlinie. Bei neun bedrohten Arten der Listen reduzierten sich die Brutbestände auf 10 bis 20 Prozent im Vergleich zum Zeitraum vor dem Spargelanbau unter Folie. Im ausgewiesenen Großtrappenschongebiet südlich von Grabow findet auf den Äckern mittlerweile überwiegend Spargelanbau unter Folie statt. Eine letzte Brut von Großtrappen fand dort im Jahr 2006 statt. Seitdem meidet die Art die Region. Der örtliche Imkerverband berichtet von außergewöhnlich hohen Verlusten von Bienenvölkern in der Region Mötzow gegenüber anderen Umlandregionen der Stadt Brandenburg an der Havel. Der Verband führt die hohen Verluste auf den intensiven Spargelanbau mit Folieneinsatz zurück. Anwohner berichten darüber hinaus von Heckenrodungen an Ackerrainen durch den örtlichen Agargroßbetrieb, um bessere Zufahrten zu den Äckern zu sichern, sowie über Wegebau mit Recyclingmaterialien. Feldgehölze sollen durch den Großbetrieb zur Anlage von Spargelfeldern gefällt worden sein.
Ich frage die Landesregierung:

1. Inwieweit ist der in den Gemarkungen Mötzow und Grabow praktizierte großflä-chige Spargelanbau mit dem Begriff der ordnungsgemäßen Landwirtschaft ge-mäß §11 BbgNatschG vereinbar?


2. Welche Untersuchungen und Erkenntnisse sind der Landesregierung über die Auswirkungen des großflächigen Folieneinsatzes im Spargelanbau auf die Tier-welt insbesondere der Insekten und Vögel bekannt?


3. Inwieweit sind der Landesregierung die oben genannten Verluste in der Artenviel-falt der Vogelwelt im Amt Beetzsee bekannt und worauf führt sie diese zurück?


4. Inwieweit sind für den Spargelanbau in einem LSG bzw. Vogelschutzgebiet ar-tenschutzrechtliche Befreiungen gemäß BbgNatSchG durch die Landesregierung notwendig bzw. erteilt?


5. Wie lässt sich der großflächige Spargelanbau in den Gemarkungen Mötzow und Grabow mit dem Status und dem Beschluss der Landesregierung vom 6. Juli 2004 zum europäischen Vogelschutzgebiet (SPA) „Mittlere Havelniederung“ vereinbaren?


6. Welche Schlussfolgerungen zog die Landesregierung aus dem Gutachten zum SPA „Mittlere Havelniederung“ von 2005?


7. Welche Maßnahmen wurden konkret seitdem ergriffen bzw. sind geplant?


8. Wie vereinbart sich der Spargelanbau unter Folie mit dem Schutzstatus des Großtrappenschongebietes Grabow?


9. Welche Maßnahmen zum Schutz der Großtrappe wurden seit der letzten beleg-ten Großtrappenbrut in der Gemarkung ergriffen bzw. sind geplant?
10. Einige Bundesländer wie z.B. Mecklenburg-Vorpommern fördern mittels Agra-rumweltprogramm Blühflächen oder Blühstreifen zum Schutze der biologischen Vielfalt. Plant die Landesregierung in der nächsten EU-Förderperiode die Auflage eines entsprechenden Agrarumweltprogramms? Wenn nein, warum nicht?


11. Welche Möglichkeiten zur Beauflagung der Anlage von Blühstreifen zwischen mit Folien bedeckten Äckern gibt es in Brandenburg, um die Beeinträchtigung des Landschaftsbildabzuschwächen und (Ersatz-)Lebensraum für Bienen und andere Kleintiere zu schaffen?



Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1: Inwieweit ist der in den Gemarkungen Mötzow und Grabow praktizierte großflächige Spargelanbau mit dem Begriff der ordnungsgemäßen Landwirtschaft gemäß §11 BbgNatschG vereinbar?

Antwort zu Frage 1: Spargel gehört zu den Sonderkulturen. Zur guten fachlichen Praxis des Anbaus von Sonderkulturen gehören auch besondere produktionstechnische Verfahren, die für die qualitativ hochwertige Erzeugung dieser unabdingbare Voraussetzungen sind. Zu diesen Verfahren gehört beim Spargel auch der Anbau unter Folie.

Frage 2: Welche Untersuchungen und Erkenntnisse sind der Landesregierung über die Aus-wirkungen des großflächigen Folieneinsatzes im Spargelanbau auf die Tierwelt ins-besondere der Insekten und Vögel bekannt?

Antwort zu Frage 2: Großflächiger Spargelanbau unter Folie hat negative Auswirkungen auf die Tierwelt, da die direkt unter Folie „verpackten“ Flächen praktisch keine Lebensraumfunktion haben. Eine Ausnahme stellt die Knoblauchkröte dar, die regional entsprechende Kulturen besiedelt. Spezifische Untersuchungen zu den Auswirkungen des Spargelanbaus auf andere Tierarten liegen nicht vor.

Frage 3: Inwieweit sind der Landesregierung die oben genannten Verluste in der Artenvielfalt der Vogelwelt im Amt Beetzsee bekannt und worauf führt sie diese zurück?

Antwort zu Frage 3: Im Rahmen der Ersterfassung in den Europäischen Vogelschutzgebieten (SPA) (2005/06) wurde der Spargelanbau im SPA „Mittlere Havel“ noch nicht näher untersucht. Die Verluste der Artenvielfalt in der Region wurden mit einer ornithologischen Untersuchung zur Vogelwelt zwischen Mötzow und Grabow thematisiert. Allerdings werden die Verluste der Artenvielfalt in o. g. Untersuchung auf generelle Veränderungen in der Feldflur, z. B. Wegebau, Grabensysteme, Bewässerung, Stoffeinsatz, Umnutzung und Intensivierung von Flächen usw. zurückgeführt.

Frage 4:Inwieweit sind für den Spargelanbau in einem LSG bzw. Vogelschutzgebiet arten-schutzrechtliche Befreiungen gemäß BbgNatSchG durch die Landesregierung not-wendig bzw. erteilt?

Antwort zu Frage 4: Der Spargelanbau inkl. Folieneinsatz wird als „ordnungsgemäße Landwirtschaft“ bewertet (siehe auch Antwort zu Frage 1). Die Zulässigkeit von Sonderkulturen richtet sich nach der jeweiligen Schutzgebietsverordnung bzw. nach den Erhaltungszielen bei der Betroffenheit von Vogelschutzgebieten. Der Landesregierung ist nicht bekannt, ob im Zusammenhang mit dem Spargelanbau entsprechende landschafts-schutzrechtliche Genehmigungen oder artenschutzrechtliche Ausnahmen beantragt oder erteilt wurden.

Frage 5: Wie lässt sich der großflächige Spargelanbau in den Gemarkungen Mötzow und Grabow mit dem Status und dem Beschluss der Landesregierung vom 6. Juli 2004 zum europäischen Vogelschutzgebiet (SPA) „Mittlere Havelniederung“ vereinbaren?

Antwort zu Frage 5: Veränderungen und Störungen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Vogelschutzgebietes in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgebli-chen Bestandteilen führen, sind nach § 33 BNatSchG unzulässig. Es liegen dem MUGV keine Informationen vor, dass dies hier der Fall ist.

Frage 6: Welche Schlussfolgerungen zog die Landesregierung aus dem Gutachten zum SPA „Mittlere Havelniederung“ von 2005?

Antwort zu Frage 6: Das Gutachten zum SPA „Mittlere Havelniederung“ von 2005 galt nur der Ersterfassung im Gebiet.

Frage 7: Welche Maßnahmen wurden konkret seitdem ergriffen bzw. sind geplant?

Antwort zu Frage 7: Der Landesregierung liegen keine Informationen über diesbezügliche Maßnahmen vor.

Frage 8: Wie vereinbart sich der Spargelanbau unter Folie mit dem Schutzstatus des Groß-trappenschongebietes Grabow?

Frage 9: Welche Maßnahmen zum Schutz der Großtrappe wurden seit der letzten belegten Großtrappenbrut in der Gemarkung ergriffen bzw. sind geplant?

Antwort zu Frage 8 und 9: Als Brutgebiet ist die Region schon in den 1980er Jahren verwaist. Letzte Beobachtungen einzelner Großtrappen liegen aus den Jahren 1997 und 2001 vor. Die Landesstrategie zum Schutz der Großtrappe konzentriert sich auf die letzten drei Reproduktionsgebiete, die dazugehörigen Wintereinstandsgebiete und die Konnektivität der drei Gebiete. Letzteres betrifft z. B. die Freihaltung der Flugwege (Energiefreileitungen, Windenergieanlagen) sowie Trittsteine (Zwischenrast, Nahrungsaufnahme). Der Großraum Mötzow liegt im Flugkorridor zwischen den SPA „Havelländisches Luch“ und „Belziger Landschaftswiesen“.

Frage 10: Einige Bundesländer wie z.B. Mecklenburg-Vorpommern fördern mittels Agrarum-weltprogramm Blühflächen oder Blühstreifen zum Schutze der biologischen Vielfalt. Plant die Landesregierung in der nächsten EU-Förderperiode die Auflage eines ent-sprechenden Agrarumweltprogramms? Wenn nein, warum nicht?

Antwort zu Frage 10: Die Arbeitsgruppe Agrarumweltmaßnahmen (AUM) des MIL und MUGV berät derzeitig über die Ausgestaltung der AUM in Brandenburg in der neuen Förderperiode ab 2014. Welche Maßnahmen zum Einsatz kommen, kann erst nach der Verabschiedung der einschlägigen EU-Verordnungen u. a. zur Finanzierung und zum Greening entschieden werden.Die Ackerbrache, extensive Anbauverfahren sowie Maßnahmen des Segetalartenschutzes werden naturschutzfachlich vom zuständigen Landesamt als wirkungsvoller für den Biodiversitätserhalt auf Ackerland eingeschätzt als Blühstreifen.

Frage 11: Welche Möglichkeiten zur Beauflagung der Anlage von Blühstreifen zwischen mit Folien bedeckten Äckern gibt es in Brandenburg, um die Beeinträchtigung des Landschaftsbild abzuschwächen und (Ersatz-)Lebensraum für Bienen und andere Kleintiere zu schaffen?

Antwort zu Frage 11: Zum Schutz von Natura 2000-Gebieten siehe Fragen 4 und 5.Hinsichtlich des Landschaftsbildes gibt es keine Möglichkeiten zur Beauflagung von Maßnahmen.Darüber hinaus bestehen die Regelungsmöglichkeiten des § 44 Abs. 4 BNatschG unter den im Einzelfall zu ermittelnden Voraussetzungen.





Landtag Brandenburg
5. Wahlperiode Drucksache 5/9466

Antwort
der Landesregierung
 auf die Kleine Anfrage 3672 des Abgeordneten Michael Jungclaus Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 5/9342

Spargelanbau unter Folie und Auswirkungen auf Schutzgebiete

Wortlaut der Kleinen Anfrage Nr. 3672 vom 14.07.2014:

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Kleine Anfrage „Spargelanbau unter Folie und Auswirkungen auf Schutzgebiete“

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Brutvogelmonitoring in Spargelanbaugebieten

Spargel unter Folie versus Artenschutz: Ministerium lässt Dokumentation schleifen








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