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Stoppt das Bienensterben



Stoppt das Bienensterben!



Immer mehr Bienenvölker sterben – Pestizid-Einsatz und Monokulturen in der Landwirtschaft schwächen die Tiere. Auch deshalb will die EU jetzt ökologisch vielfältige Äcker fördern. Doch die Lobby der Agrarindustrie kennt keine Grenzen.

5-Minuten-Info:
Bienensterben stoppen!

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Herr Radetzki, warum sterben die Bienen?
Bevor ein Volk kollabiert, wurde es oftmals schon durch verschiedene Faktoren geschwächt. Die eigentlichen Ursachen sind häufig nicht eindeutig zu klären. Neben der Varroamilbe ist die industrielle Agrarproduktion mit ihren Pestiziden und Monokulturen die Hauptbelastung für die Gesundheit der Bienen. In den dramatisch zunehmenden Monokulturen wie Mais verhungern unsere Bienen sogar.
Wie viele Völker sind in Europa schon tot oder gefährdet?
Das kann niemand mehr zählen! Seit Jahren sind hohe Völkerverluste keine Seltenheit mehr, lokal kommt es auch zu Totalverlusten. Das ist ein weltweites Problem. Durch den milden Winter erscheint das Problem dieses Jahr nicht so gravierend.  Aber wir Imker gehen auf dünnem Eis – wir wissen nicht, wann wir einbrechen.
Warum sind Pestizide für Bienen giftig? Wie wirken sie auf die Bienen?
Das Hauptproblem sind Insektizide, eine Untergruppe der Pflanzenschutzmittel. Sie werden regelmäßig eingesetzt, um Insekten zu töten. Da Bienen auch Insekten sind, gibt es versteckte, aber nicht minder gefährliche Schäden und Vergiftungen. So sind im Rheintal im Jahr 2008 mehr als 11.000 Völker in kürzester Zeit zugrunde gegangen. Ursache war das Nervengift Clothianidin, mit dem Saatgut von Mais behandelt wurde. Der Wirkstoff gehört zu einer neuen Gruppe von Insektiziden, den Neonicotinoiden, die hochgiftig sind, aber den Bienen angeblich nicht schaden sollen. Der Wirkstoff Imidacloprid ist zum Beispiel 7.297-mal giftiger als DDT! Sogar in kleinsten Mengen können diese Gifte zu Störungen des Verhaltens, der Kommunikation und der Orientierung führen. Bienen finden dann nicht mehr in den heimischen Stock zurück. Imker und Naturschutzverbände fordern ein Verbot dieser Mittel.
Was hat die Varroa-Milbe mit dem Bienensterben zu tun?
Die Varroa-Milbe wurde durch Globalisierung aus Asien eingeschleppt und schädigt Bienenbrut und erwachsene Tiere. Unsere westlichen Honigbienen haben in der Evolution keine Abwehrmechanismen entwickelt. Die Bienenvölker sterben jedoch meist an den Viren, die in die Bienenbrut eindringen, wenn die Milben Blut saugen. Und die Viren haben ein leichtes Spiel, wenn der Organismus ohnehin geschwächt ist. Es gilt also, die Bienen insgesamt zu stärken – durch ein vielfältiges und reiches Blütenangebot und möglichst stressfreie Bienenhaltung.
Welche Lebensmittel-Pflanzen hängen von der Bestäubung von Bienen ab?
Vor allem Obst, Beeren und Gemüse sind betroffen. Ohne Bienen fehlen die wichtigsten Bestäuberinnen aber auch bei Wildpflanzen, von deren Früchten und Samen sich Kleinsäuger, Reptilien, Vögel und andere ernähren. Wir können zwar Honig importieren, aber keine Bestäubung!
Vielen Dank für dieses Gespräch, Herr Radetzki!

Was können die Pläne der EU zum Artenschutz leisten?

Einen Ansatz zum Bienen- und Artenschutz bietet die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. Sie soll 2015 in Kraft treten und regelt neu, wie die EU ihre Fördermittel in der Landwirtschaft vergibt. Die Reform soll die Landwirtschaft grüner machen. Dazu sollten Fördermittel unter anderem daran gekoppelt werden, dass Landwirte fünf Prozent ihrer Ackerfläche im Sinne des Artenschutzes bewirtschaften. Wenn so auf jedem Betrieb ein kleiner Anteil der Fläche als ökologische Vorrangfläche bewirtschaftet wird, entsteht ein europaweites Netz an Flächen, mit denen das Artensterben verlangsamt wird. Das hilft Bienen, Vögeln und vielen anderen bedrohten Arten.

Warum kann die Bundesregierung die Pläne der EU so aushöhlen?

Einige Regierungen, darunter die damalige deutsche Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner, haben sich auf Druck der Agrarlobby heftig gegen die Brüsseler Pläne gewehrt. Sie wollten sie bis zur Unkenntlichkeit verwässern. Mehr als 200.000 Campact-Aktive, die unseren Online-Appell zum Bienensterben unterschrieben haben, konnten dies verhindern. Doch Aigner hat erreicht, dass die nationalen Regierungen bei der Ausgestaltung der Richtlinie große Spielräume bekommen haben. Sie bestimmen nun, was und unter welchen Bedingungen auf den so genannten „ökologischen Vorrangflächen“ angebaut werden darf – und damit, was als Bewirtschaftung im Sinne des Artenschutzes gilt. Diesen Spielraum will die Bundesregierung jetzt nutzen, um den Artenschutz zu untergraben. Dabei hat sie nun die Chance, mit wenig Aufwand viel für den Bienen- und Artenschutz zu tun.

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